Das Symbolspiel als kreativer Prozess der Lebensbewältigung

Das Spiel der Kinder kann entwicklungspsychologisch als Zentrum ihrer kulturellen Tätigkeit gesehen werden: „Das Üben motorischer Fähigkeiten, die Anforderungen, die das Spielen an die Sinne, an die Problemlösefähigkeit und die Kreativität sowie an Kooperation und den Ausdruck von Emotionen stellt, sind für das Aufwachsen der Kinder von grosser Bedeutung“. Und: „Im symbolischen Spiel äussert sich … diese systematische Assimilation in einer besonderen Ausnutzung der semiotischen Funktion, die nach freiem Ermessen Symbole schafft, um all das auszudrücken, was in der gelebten Erfahrung nicht allein durch die Mittel der Sprache formuliert und assimiliert werden kann.“ (J.Piaget, Nachahmung, Spiel und Traum, 1969) Das Kinderspiel nimmt eine Anpassung und Veränderung der Wirklichkeit an die subjektiven Sichtweisen und Bedürfnisse des kindlichen Ich vor. Anders als im realen Leben des Kindes, indem es sich in der Regel den Bedingungen der Welt mehr oder weniger unterwerfen muss, kann es im Symbolspiel die Welt so verändern, dass sie seinen eigenen Bedürfnissen entspricht. Das Kinderspiel übernimmt Aufgaben der Lebensbewältigung zu einem Zeitpunkt, da andere Techniken und Möglichkeiten dem Kind noch nicht zur Verfügung stehen. Dies geschieht auf dreierlei Weise: als Nachgestaltung, als Umgestaltung und als vollständiges Verlassen der Alltagsrealität.

Das kindliche Spiel ist nicht nur kreativ verfremdete Inszenierung eines Konfliktes oder einer Erfahrung, sondern auch aktive Umsetzung und Bearbeitung von Erfahrungen, d.h. Bewältigungsarbeit. „Im Spiel … werden die unzweideutigsten Konflikte derart verarbeitet, dass das Ich Revanche nimmt, sei es durch Unterdrückung des Problems, sei es, dass eine annehmbare Lösung gefunden wird.“ (Piaget, Nachahmung, Spiel und Traum, 1969.) Kinder gehen im Spiel nicht in das Leiden, das für sie im Konflikt liegen würde. Das Spiel von Kindern hat nicht die primäre Intention der Rekonstruktion von Lebensrealität, sondern deren Deformation bzw. deren Neukonstruktion im Dienste der kindlichen Wünsche und Bedürfnisse.

Das Kind erlebt sich im Spiel als schöpferischer Konstrukteur oder Mitschöpfer seiner eigenen Lebenswelt. „Jedes spielende Kind benimmt sich wie ein Dichter, indem es sich eine eigene Welt erschafft oder, richtiger gesagt, die Dinge seiner Welt in eine neue, ihm gefällige Ordnung versetzt“ (S. Freud, Der Dichter und das Phantasieren, 1907). „Im Symbolspiel entdeckt das Kind die schöpferische Dimension und verweist die konkrete Existenz in ihre wahren Schranken, eine Welt unter möglichen Welten zu sein. Es gewinnt darin gegenüber seinem eigenen Leben die Perspektive des schöpferisch Tätigen“ (J.L. Moreno, Psychodrama Bd. 1, 1946). Im Symbolspiel der Kinder manifestiert sich die kindliche Kreativität in ihrer spezifischen Weise.