Therapietechniken und Interventionen im Kinderpsychodrama

Damit sind generell alle Aktivitäten der PsychodramaleiterInnen gemeint, die der Entwicklung des einzelnen Kindes in der Gruppe oder Einzeltherapie oder die der Entwicklung der ganzen Gruppe im Gruppendynamischen Sinne dienen. So sind die Einleitung der Gruppensitzung und die Themenfindung in der Gruppe wichtige Phasen der Intervention der Gruppenleiter. Ziel in den Therapiestunden ist, dass die daran anschliessende Spielphase den grössten Raum für die Interventionen der Gruppenleiter einnehmen soll. Der Gruppenprozess wird dahingehend begleitet.

Die therapeutischen Handlungstechniken Doppeln, Spiegeln und Rollentausch leitet Moreno von seiner Entwicklungstheorie her. Sie entsprechen den frühkindlichen Möglichkeiten, die Umwelt und die Mutter zu erfassen und zu erleben. Sie werden daher in ihrer „ursprünglichen“ Form im Psychodrama mit Kindern angewendet.

Den Rollentausch vollziehen Kinder in der Kindertherapie spontan und von sich aus. Sie setzen aktiv um, was sie passiv erlebt und erlitten haben und weisen den Therapeuten meist die Rollen zu, die sie sonst im realen Leben innehaben und fügen ihnen das Unangenehme zu, das ihnen selbst widerfahren ist. Wenn die Therapeuten mit den Kindern die Rollen tauschen und in diesen Rollen ihre Ohnmacht, Ängste, Abhängigkeiten usw. nachempfinden, erfüllen sie nach Moreno das erste Gesetz des Psychodramas: „… versetzt Euch in die Lage des Opfers einer Ungerechtigkeit, teilt mit ihm das Unrecht. Wechselt die Rolle mit dem Opfer.“ (Moreno, 1964, zitiert nach Friedeman, 1972). Kinder tauschen nicht nur mit den Therapeuten die Rollen, sondern können das selber während eines Spieles zwischen der Rolle des Aktiven und der Rolle des Passiven hin und her wechseln oder spontan bei der Bearbeitung eines unbewussten Konfliktes zwischen Trieb und Abwehr die Rolle tauschen.

In der Kindertherapie übernehmen die Therapeuten Rollen, in denen sie einfühlendes, stützendes oder explorierendes Doppel der Kinder werden und so das Ich der Kinder stützen können. So werden die Therapeuten zu „symbolischen Doppelgängern“ der Kinder und können in ihren Rollen Gefühle, Ängste, und Wünsche aussprechen, die die Kinder (noch) nicht ausdrücken können. Über die Therapeuten lernen die Kinder zu verbalisieren, was sie innerlich bewegt, quält und ihr Wohlbefinden stört und machen dadurch einen grossen Schritt zur Realitätsgewinnung. Hat ein Kind z.B. beim Ausprobieren von neuem Rollenverhalten noch Schwierigkeiten, so kann ein Therapeut in der Rolle, die er gerade spielt, das Kind bei seinen Versuchen durch stützendes Doppeln stärken, so seine Intention aktiv unterstützen und damit zur Entwicklung der Ich-Funktion beitragen. Eine weitere Möglichkeit ist ebenfalls als Hilfs-Ich in einer Rolle beim unkontrollierten Kind die unterentwickelten Ich-Funktionen zu stärken. Die Technik des Doppelgängers kann auch eingesetzt werden, wenn sich die Gruppe noch nicht traut, gegen das frustrierende „böse“ Objekt, das einer der Therapeuten verkörpert, vorzugehen. Das explorierende Doppeln ermöglicht z.B. die Intention oder die Erlebnisinhalte der Kinder zu erfragen, indem der Therapeut sich laut in seiner Rolle in einer Art Selbstgespräch fragt oder beide Therapeuten im Zwiegespräch erörtern, warum sich ein Kind (in seiner symbolischen Rolle) oder die Gruppe in einer bestimmten Weise verhalten, was wohl in ihm vorgeht. Sie regen damit die Kinder an, sich mit der Frage auseinanderzusetzen und sich vielleicht auch über das Gefragte zu äussern.

Um einem Kind in der Kindertherapie sein Verhalten und dessen interpersonelle Auswirkung bewusst zu machen, spielen die Therapeuten die Spiegelrolle, z.B. als Rundfunk- oder Fernsehreporter, und vermitteln dem Kind auf der symbolischen Ebene ein Bild von sich selbst. In der Spiegelrolle haben die Therapeuten auch die Möglichkeit, die aktuell ablaufenden gruppendynamischen Prozesse zu beschreiben und den Kindern vorzuhalten. Die Spiegeltechnik bietet ausserdem die Möglichkeit, Bewunderung auszudrücken, den „Glanz im Auge der Mutter“ zu zeigen und in der symbolischen Wunscherfüllung das angeschlagene Selbstwertgefühl wieder aufzuwerten.

In der Kindertherapie können die Therapeuten die ihnen – im doppelten Sinn des Wortes – übertragenen Rollen, die „guten“ und die „bösen“ Objekte, spielen und können darin den Kindern lebendig und anschaulich ihre Übertragungen, ihre unbewusste Rollenbeziehung aufzeigen und bewusst machen. Daher ist die kontrollierte Übernahme der Rollen, die die Kinder den Therapeuten auferlegen, durch ihr Mitspielen aktionale Deutung. Die Therapeuten reden im Spiel direkt in der Symbolsprache des Unbewussten mit dem Kind und vermitteln ihm so, dass sie das Bedrohliche und Bedrückende, das es im Spiel ausgedrückt hat, verstanden haben.

Da Kinder in der Übertragung Wünsche zu befriedigen oder Unlust und Angst abzuwehren versuchen, müssen die Therapeuten das Spiel der Kinder durchschauen und spielen, ohne das Spiel der Kinder zu spielen. Sie müssen daher unter Umständen einen anderen als von den Kindern gewünschten oder befürchteten Ausgang einer Szene herbeiführen und die Kinder mit sich selbst zu konfrontieren. Bei dieser „agierten Deutung“ nehmen die Therapeuten im Spiel eine andere als die von den Kindern gewünschte Haltung ein und halten sie konsequent durch, bis die Kinder ihre Haltung ändern.