Historischer Hintergrund

Die Entwicklung des Psychodramas

Jakob Levi Moreno − Gründer des Psychodramas

Begründet wurde das Psychodrama als Teil des so genannten Triadischen Systems (Psychodrama, Soziometrie und Gruppentherapie) von dem Psychiater, Soziologen und Philosophen Jakob Levy Moreno (1889 – 1974). Beeinflusst vom existentialistischen Zeitgeist der 20-er Jahre in Wien konzipierte er, noch vor dem Philosophen Martin Buber, mit dem er Kontakt hatte, sein Konzept der Begegnung. Sozialrevolutionäre Ziele verfolgte er, indem er in Wien mit Flüchtlingen und Prostituierten Gruppen aufbaute, die man als eine der ersten Selbsthilfegruppen der Geschichte bezeichnen kann. Fasziniert von der Spontaneität und Spielfreude der Kinder, die er bei seinen Spaziergängen in den Wiener Parks beobachtete, entwickelte Moreno das Stegreifspiel und das Konzept des Lernens durch Handeln. Die Grundlagen der Soziometrie, die er noch in seiner Wiener Zeit bei seiner Arbeit als Amtsarzt im Flüchtlingslager legte, entwickelte er nach seiner Emigration in den USA zu einer komplexen Theorie weiter. Dort führte er durch seine Veröffentlichungen auch erstmals die Begriffe Gruppentherapie und Gruppenpsychotherapie in die Fachwelt und Literatur ein und gilt darum als Begründer der Gruppenpsychotherapie. In den folgenden Jahren entwickelte er die Techniken und Instrumente des Psychodramas zu einer Methode der Psychotherapie weiter, deren Anwendung mit ihrem heiteren, ausgesprochen humorvollen Umgang ihm den Verdienst einbrachte, «das Lachen in die Psychiatrie gebracht zu haben».

Ab den 50er Jahren wurde das Psychodrama auch in Europa bekannt. Grete Leutz trug durch die Übersetzung von Morenos Hauptwerk ins Deutsche und durch ihr Buch «Psychodrama» (1974, 1. Aufl.) massgeblich dazu bei. Inzwischen existieren in fast allen europäischen Ländern Psychodrama-Institute, die in der Federation of European Psychodrama Training Organisations FEPTO zusammengeschlossen sind.

Menschen- und Weltbild

Die von Moreno begründete Rollentheorie und die von neueren Autoren wie Krüger (1997, 2002, 2006), Schacht (2003), Storch (2006) u. a. weiterentwickelte Psychodramatheorie geht von einer tiefenpsychologischen, interpersonalen, systemischen Grundorientierung aus. Diese stellt, zusammen mit dem Konzept des kreativen Menschen, die Grundlage des Menschenbildes im Psychodrama dar. Kreativität, Spontaneität und Einfühlungsvermögen sind notwendig, um konstruktiv Probleme zu lösen. Diese Fähigkeiten können, ebenso wie die Fähigkeit zum «Tele» – gegenseitige Einfühlung – entwickelt werden und ermöglichen, dass Begegnung stattfindet. Begegnung ist das tragende existentielle Prinzip des Psychodramas. Ziele der psychodramatischen Arbeit sind es, Spontaneität und Kreativität freizusetzen und Begegnung zu ermöglichen.

Vier Grundbedürfnisse des Menschen

Ausgehend vom Menschenbild des kreativen Menschen, postuliert Krüger (2002), dass der Mensch das Kreativ-Sein subjektiv in Form von vier verschiedenen Grundbedürfnissen erlebt:

  1. Das Bedürfnis, selbst in der Welt existent zu sein, sich zugehörig zu fühlen und für sich einen angemessenen Raum und Rahmen zu schaffen oder zu finden.
  2. Das Bedürfnis, aktiv zu handeln und dabei einen Weg zu finden oder einen gangbaren Weg zu schaffen.
  3. Das Bedürfnis, eine angemessene Wirkung beim anderen zu erzielen, in einem Wirkungszusammenhang zu stehen und gebraucht zu werden.
  4. Das Bedürfnis, eine angemessene Lösung zu entwickeln oder zu finden und Schöpfer zu sein.

Es ist von grundlegender Bedeutung für den Menschen diese Grundbedürfnisse zu erfahren und befriedigen können.